Coworking = Coolworking?!
Mein Arbeitsplatz 2.0
Am Beispiel des fiktiven Protagonisten Felix möchte ich die Besonderheiten des zunehmend populären Trends „Coworking“ veranschaulichen. Was in den USA geboren wurde schwappt nun auch verstärkt nach europäischen Metropolen in die deutschen Großstädte. Gerade unter Freiberuflern, Gründern, digitalen Nomaden und Selbstständigen erfreut sich die neue Arbeitsform „Coworking“ wachsender Beliebtheit. Niedrigere Fixkosten und das Zusammensein mit anderen Kreativen sind schlagende Argumente für viele Nutzer. Große, offene Flächen und geteilte IT-Infrastruktur sowie eine „Community“ durch Gemeinschaftsräume und Veranstaltungen zeichnen diese neuen Bürogemeinschaften aus. Eigenständige Personen können so unabhängig voneinander in diesen „Büro-WGs“ an ihren Projekten arbeiten, Kontakte knüpfen oder künftige Zusammenarbeiten verwirklichen.
Begleiten wir also den Werbetexter Felix, der bisher von zuhause aus arbeitete, an seinem ersten Tag im Coworking-Office.
8.00 Uhr – der Arbeitstag im Home-Office beginnt
Meine Frau Anne ist schon aus dem Haus. Auf meinem heillos überfüllten Schreibtisch hat sie mir eine Notiz hinterlassen:
„Wäsche machen, Staubsaugen, Einkaufen“ und darunter ein Herzchen.
Ich hasse mein Home-Office!
Doch die Rettung liegt im Briefkasten. Der Werbeflyer von „CoolWorking“ verspricht mir inspirierende Arbeitsatmosphäre. CoolWorking, das ist so ein neues Coworking-Konzept gleich um die Ecke. Ich bin schon oft vorbeigegangen. Da sitzen einfach wildfremde Leute zusammen, trinken Kaffee und jeder arbeitet an seinem wahnsinnig wichtigen Projekt. Zweimal wäre ich schon fast reingegangen, bin dann aber kurz vorher doch abgedreht, weil es mir irgendwie lächerlich vorkam.
Aber heute. Heute ist der Tag – ich probiere es aus!
8.50 Uhr – Aufbruch
Ich ignoriere Annes Zettel gekonnt und schwing mich auf‘s Fahrrad.
9.00 Uhr – Willkommen im Shared Office
Ich öffne die Türe zum Büro auf Zeit – kein Empfang, aber eine Bar. Ich frage den Bartträger hinter der Theke, wie ich mich hier anmelden könne.
„Sag es einfach Alexa.“ Seine Antwort klingt mir ein wenig zu flapsig, aber gut: ich trage mein Anliegen dieser kleinen schwarzen Säule vor, die mich übermäßig höflich empfängt und mir alles erklärt. Das Gratisgetränk und Tipps zur Technik kamen dann wieder vom bärtigen Hipster.
Mein erster Eindruck dieses Ladens: Viele junge (und einige junggebliebene) Leute hängen am Notebook und sehen eigentlich ganz sympathisch aus. In der Luft liegen der Duft des überraschend guten Kaffees und sonores Gebrabbel – ich fühle mich wohl und motiviert, wenngleich noch ein wenig orientierungslos.
Gedanken an Anne und die Hausarbeit unterdrücke ich ohne allzu große Anstrengung.
Ich suche mir einen Platz in der Silent Zone, klappe mein Notebook auf, logge mich ein und beginne mit der Schreiberei.
13.00 Uhr – Lunch mit Max
Max arbeitet regelmäßig hier im Shared Office und ist mittlerweile Coworking- und Netzwerk-Profi. Ich lerne ihn kennen, als wir unsere Mittagsbestellung aufgeben. Alexa ist übrigens eine passable Kellnerin.
Max erzählt mir von seinem aktuellen Projekt, er programmiert freiberuflich Websites für kleinere Unternehmen. Die Schilderungen über seine Erfahrungen mit verschiedenen Gemeinschaftsbüros lassen mich den Beschluss fassen, häufiger hier anstatt im Home-Ooffice zu arbeiten. Die entspannte, aber kreative Atmosphäre inspiriert mich doch ziemlich. Der (leicht skurrile) Gründergeist in diesen Räumen ist fast greifbar.
14.00 Uhr – Coworking und Networking
Mein Lieblingsplatz an diesem Nachmittag ist eine Bench. Max sitzt mir gegenüber. Wir arbeiten ruhig und konzertiert – ein bisschen sind wir wie Brüder im Geiste, denn auch Max hat eine „Anne“, wie ich später erfahre. Ich komme mit der Arbeit heute schneller voran als gedacht – ob ich solche Einfälle auch Zuhause gehabt hätte? Zudem habe ich interessante Leute kennengelernt, die zum Teil Berufe ausüben, von denen ich vorher noch nie etwas gehört habe. Nicht schlecht für den ersten Tag.
17.15 Uhr HSV schlägt Bayern
Die Tischkicker-Runde geht eindeutig an die Blauen.
17.30 Uhr – Feierabend und Fazit
Coworking ist kein Büro, es ist mein Büro!
Wer sich darauf einlässt, lernt Kreative und Gründer – manchmal auch Hängengebliebene – kennen, erfährt viel über moderne Lebenswirklichkeiten und lässt sich von der ambitionierten Arbeitsatmosphäre anstecken. Mindestens bedeutet so ein Tag im Coworking-Space, einen Blick über den eigenen Tellerrand zu wagen. Und so einen Blick kann fast jeder gebrauchen.
Außerdem kann ich jetzt am Abend mit Fug und Recht behaupten: „Wie Staubsaugen? Anne, ich war den ganzen Tag im Büro!“
Protagonist: Felix 35, liiert (mit Anne), selbstständiger Werbetexter in Frankfurt