Sozialwohnungen in Deutschland sterben aus

  •  2024 nur noch weniger als eine Million Sozialwohnungen im Bestand
  • Weiterer massiver Rückgang bis 2035 zu erwarten
  • Durchschnittliche Mieteinsparung von 45 Prozent durch Soziales Wohnen geht verloren
  • Hamburg, Berlin und NRW bieten prozentual noch den größten Anteil an Sozialwohnungen in Deutschland
  • Geringer Neubau kann Negativtrend nicht stoppen

Frankfurt, 15. Januar 2024 – Bis Ende des Jahres 2024 wird es in Deutschland nur noch 981.100 Sozialwohnungen geben. Damit sinkt die Anzahl erstmals seit vielen Jahrzehnten unter die Millionschwelle. Das ist lediglich rund ein Drittel des ehemaligen Bestandes, der nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990 rund 2,9 Millionen Sozialwohnungen umfasst hatte. Da immer mehr Wohnungen aus der zeitlich begrenzten Sozialbindung fallen und der Neubau massiv stockt, wird sich der Negativtrend weiter fortsetzen. Im Jahr 2035 wird es nur noch 554.100 Sozialwohnungen in Deutschland geben, wie aus einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln hervorgeht.

„Sozialwohnungen sind ein hohes kulturelles Gut und ein Erfolgsmodell der sozialen Marktwirtschaft, die Deutschland über Jahrzehnte geprägt hat. Leider fehlen mittlerweile die passenden Rahmenbedingungen für den Markt, um dieses Erfolgsmodell wiederzubeleben. Historisch und gegenwärtig lässt sich belegen, dass sozialer Wohnungsbau nur in solchen Regionen funktioniert, in denen die Förderbedingungen wirklich gut sind. Niemand wird Sozialwohnungen bauen, wenn er damit kein Geld verdient“, sagt Felix von Saucken, Head of Residential bei Colliers.

Durchschnittliche Mieteinsparung von 45 Prozent durch Soziales Wohnen

Sozialwohnungen haben ihren gesellschaftlichen Wert auch in den vergangenen zehn Jahren eindrucksvoll bewiesen. In den deutschen TOP 7 Städten Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Köln, Frankfurt, Stuttgart und München lag die durchschnittliche Kaltmiete für Sozialwohnungen im Jahr 2023 bei 8,14 Euro pro Quadratmeter. Im freien Wohnungsmarkt betrug sie 14,90 Euro pro Quadratmeter. Damit zahlten Mieter einer Sozialwohnung rund 45 Prozent weniger Miete gegenüber dem freien Markt. Im Jahr 2013 hatte der Abstand zwischen sozial regulierten und freien Mieten noch bei 34 Prozent gelegen, mit einer durchschnittlichen Kaltmiete von 6,26 Euro pro Quadratmeter in den Sozialwohnungen und 9,55 Euro pro Quadratmeter am regulären Mietmarkt. Die Kluft ist seitdem also weiter gewachsen. Entsprechend treu sind die Mieterinnen und Mieter ihren Sozialwohnungen. So gab es im Jahr 2023 deutschlandweit nur weniger als 20.000 Mietangebote für deutsche Sozialwohnungen, wie eine Erhebung der Value AG zeigt. 40 Prozent dieser Angebote entfielen auf NRW, 13 Prozent auf Berlin.

Hamburg, Berlin und NRW bieten den größten Anteil an Sozialwohnungen

Gemessen an einem Gesamtbestand von über 43 Millionen Wohnungen in Deutschland sind die rund eine Million Sozialwohnungen, die es noch gibt, ein rares Gut. Den mit Abstand größten Anteil an Sozialwohnungen gibt es in Hamburg. Rund 8 Prozent des Wohnungsbestandes in der Hansestadt sind diesem Segment zuzurechnen. Das entspricht rund 81.000 Sozialwohnungen. Auf einem geteilten zweiten Platz im nationalen Ranking folgen Berlin und NRW mit einem Anteil von jeweils 5 Prozent. Hessen und Schleswig-Holstein folgen mit spürbarem Abstand und einem Anteil von jeweils 3 Prozent Sozialwohnungen an ihrem gesamten Wohnbestand.

„Die Politik hat das gesellschaftliche Problem am Wohnungsmarkt zu lange unterschätzt und war nicht bereit, echte Lösungen zu schaffen. Grundsätzlich gilt: Jedes Neubauprojekt ist auch ein wirtschaftliches Risiko und dieses Risiko muss durch Gewinne für die Projektentwickler kompensiert werden. Für mehr Neubau brauchen wir das privatwirtschaftliche Engagement von Projektentwicklern und Investoren, in Kombination mit attraktiven staatlichen Förderprogrammen. Der Staat allein wird das Problem nicht lösen können und er sollte auch nicht selbst Bauherr werden. Das war in der Vergangenheit noch nie eine gute Idee“, sagt Felix von Saucken.

Geringer Neubau kann Negativtrend nicht stoppen

Mit jedem Jahr fallen mehr Wohnungen aus der zeitlich begrenzten Sozialbindung und stehen anschließend dem freien Mietmarkt zur Verfügung. Damit verschärft sich der Mangel an Sozialwohnungen schrittweise, solange das Neubauvolumen den Negativtrend nicht aufhalten oder umkehren kann. Deutschlandweit wurden im Jahr 2022 nur 22.755 Sozialwohnungen neu fetriggestellt und dem Mietmarkt zugeführt. Im selben Jahr schrumpfte der Gesamtbestand trotzdem um 23.200 Einheiten, weil rund 46.000 Wohnungen ihre Sozialbindung verloren. Dieser Trend wird sich weiter fortsetzen. Den höchsten Zuwachs im Neubau gab es in den großen Flächenstaaten: Bayern führt das Ranking mit 4.056 neuen Sozialwohnungen an vor Baden-Württemberg mit 3.898 Einheiten und Nordrhein-Westfalen mit 3.631 Einheiten, gefolgt von Niedersachen mit 2.121 und Berlin mit 1.935 neuen Sozialwohnungen. Gemessen an der Gesamtzahl der Haushalte ist Hamburg mit 1.884 Einheiten auch im Neubau wieder vergleichsweise gut positioniert.

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