Wohnimmobilienmarkt in der Findungsphase

  • Transaktionsvolumen von 7,6 Milliarden Euro für Wohninvestments ab 50 Wohneinheiten
  • Spitzenrenditen in den Top 7 stabil
  • ETW-Preise steigen zunächst weiter
  • Mietpreise wachsen insbesondere im Neubau langsamer
  • Gegenläufige Faktoren bestimmen weitere Entwicklung

Frankfurt a.M., 13. Juli 2022 – Colliers misst im ersten Halbjahr 2022 einen Umsatz von 7,6 Milliarden Euro für Wohninvestments ab 50 Wohneinheiten in Deutschland. Dieses Volumen liegt zwar nur knapp unterhalb des Mittelwerts der ersten Halbjahre der vergangenen fünf Jahre von rund 8,0 Milliarden Euro, allerdings zeigt sich – äquivalent zu Gewerbeimmobilieninvestments – auch hier eine Entschleunigung in Q2 2022. So wurden hier gerade einmal 2,9 Milliarden Euro investiert, nachdem in Q1 2022 noch Wohnimmobilien für 4,7 Milliarden Euro gehandelt wurden. Das größte Volumen wurde im ersten Halbjahr mit 1,7 Milliarden Euro in Berlin umgesetzt, gefolgt von Hamburg mit 700 Millionen Euro und Frankfurt mit rund 300 Millionen Euro.

Felix von Saucken, Head of Residential Investment bei Colliers, kommentiert: „Wohninvestments sind mit der Corona-Pandemie noch einmal mehr in den Fokus vieler Investoren gerückt, die ihren Portfolios sichere Core-Produkte beimischen wollen. Grundsätzlich hat sich diese Einstellung und der relative Attraktivitätsgewinn gegenüber anderen Assetklassen auch mit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs nicht geändert. Noch immer profitiert Wohnen von der Sicherheit, die diese Assetklasse bietet. Den vielen preistreibenden Faktoren steht nun jedoch ein geändertes Zins- und somit Finanzierungsumfeld gegenüber. In dieser Marktphase warten viele Akteure erst einmal ab, welche Einflüsse letztlich dominieren.“

Großtransaktionen bleiben aus
So sind zunächst auch keine Großtransaktionen bzw. -Übernahmen zu beobachten. Im ersten Halbjahr wurde kein Objekt für mehr als 200 Millionen Euro gehandelt. Mit 52 Prozent ist auch der Anteil der Portfoliodeals vergleichsweise gering. Große Übernahmen der Vergangenheit, allen voran die Fusion der Deutschen Wohnen mit Vonovia im letzten Jahr, gab es bisher noch nicht und im weiteren Verlauf des Jahres könnten sie erst einmal zugunsten einer transparenteren Marktsituation aufgeschoben werden.

Renditekompression gestoppt
Die Renditekompression für Wohninvestments hat sich zu Anfang des Jahres mit einem historisch niedrigen Niveau von 2,4 Prozent zunächst weiter fortgesetzt. Dieser Wert bleibt zum Ende des zweiten Quartals zunächst stabil. Allerdings gehen potenzielle Käufer und Verkäufer nun mit unterschiedlichen Preisvorstellungen in den Markt. Es bleibt abzuwarten, bei welchem Wert sie letztlich zusammenfinden.

ETW-Kaufpreise bislang ungebremst
Die VALUE Marktdaten deuten darauf hin, dass sich Eigentumswohnungen sowohl im Bestands- als auch im Neubausegment bislang weiter verteuern. So kosteten Bestandsobjekte, die vom Halbjahr 2021 bis Halbjahr 2022 inseriert wurden, im ungewichteten Durchschnitt über die Top-7-Märkte 4,0 Prozent mehr als im Jahr 2021. Das auf das Jahr hochgerechnete Wachstum liegt mit 8,1 Prozent jedoch unterhalb des Durchschnitts der vergangenen fünf Jahre von 11,4 Prozent pro Jahr. Im Neubaubereich war die Steigerung mit 5,4 Prozent, bzw. auf das Jahr hochgerechnet 11,0 Prozent, sogar stärker als im Fünf-Jahres-Durchschnitt mit 10,2 Prozent. Dieses Wachstum lässt sich auch über die einzelnen Monate des betrachteten Zeitraums beobachten – somit gibt es noch keine sichtbaren Preisanpassungen, die die Zinswende erwarten lassen würde.

Die höchsten Preissteigerungen für Bestandswohnungen zeigt Stuttgart mit 4,9 Prozent auf 5.350 Euro pro Quadratmeter vor Berlin mit 4,7 Prozent auf ebenfalls 5.350 Euro pro Quadratmeter. In Berlin verteuerten sich auch Neubauwohnungen mit dem stärksten Wachstum von 10,6 Prozent auf nun im Mittel 7.640 Euro pro Quadratmeter deutlich. Die zweithöchste Preissteigerung zeigt München mit 10,4 Prozent und 11.760 Euro.

Allerdings zeigen die Daten lediglich die Angebotsseite des Marktes. Längere Vermarktungszeiten sprechen dafür, dass die inserierten Preise nicht in gleichem Maße akzeptiert werden wie in der Vergangenheit.

Mieten steigen langsamer
Ein wenig gebremst zeigt sich indes die Dynamik der (Angebots-)Mietpreisentwicklung. So stiegen Bestandsmieten um 1,6 Prozent im Halb- bzw. 3,3 Prozent im Ganzjahreszeitraum gegenüber 4,0 Prozent im Durchschnitt der letzten fünf Jahre. Noch verhaltener entwickeln sich Neubaumieten mit lediglich 0,4 Prozent bzw. hochgerechneten 0,9 Prozent gegenüber einem starken Wachstum von 4,6 Prozent in der Vergangenheit.

Die höchsten Preissteigerungen finden sich für Bestandswohnungen auch im Mietsegment erneut in Berlin mit 4,2 Prozent Preissteigerung auf 12,15 Euro pro Quadratmeter im Monat. Weit abgeschlagen auf dem zweiten Platz verzeichnet München eine Verteuerung von 1,7 Prozent auf 18,30 Euro. Bei Neubauwohnungen zur Miete legten die Preise in München sogar am stärksten zu: Hier ist eine Steigerung um 2,4 Prozent auf 21,10 Euro pro Quadratmeter zu beobachten. Hamburg folgt mit einer Steigerung um 1,3 Prozent auf 15,50 Euro. Die Mietpreise für Neubauwohnungen in Köln hingegen sanken um 2 Prozent und auch in Frankfurt und Stuttgart gingen sie marginal zurück. Dies dürfte aber eher eine Momentaufnahme als eine Trendumkehr bedeuten. Schließlich dürften sich gestiegene Bau- und Finanzierungskosten auch in den Mieten widerspiegeln.

Ausblick: Verstärkte Marktaktivitäten im vierten Quartal erwartet
Auf dem Nutzermarkt dürfte die Zahlungsbereitschaft aufgrund der höheren Belastung gestiegener Lebenshaltungskosten zwar gesunken sein, gleichzeitig wächst die Zuwanderung und damit der Wohnungsbedarf. Auf der anderen Seite verlangsamt sich das Wachstum des Angebots aufgrund von längeren Prozessen in der Materialbeschaffung sowie rasant gestiegenen Bau- und Finanzierungskosten. Vor dem Hintergrund der im Rahmen der ESG-Verordnung notwendigen Modernisierungsmaßnahmen dürften Material- und Arbeitskräfte mittelfristig weiter knapp sein.

Felix von Saucken resümiert: „Nach einer Marktfindungsphase erwarten wir, dass das Transaktionsvolumen wieder anziehen wird. In einer Größenordnung von schätzungsweise 15 Milliarden Euro dürfte es jedoch unter dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre bleiben. Für die Preisentwicklung wird ausschlaggebend sein, ob die Produktverknappung durch ausbleibenden Neubau stärker wirkt als die höheren Finanzierungskosten. Wir gehen von einer Abflachung der Entwicklung der Kaufpreisfaktoren aus – insbesondere dürften die Spitzen ein wenig abgeschnitten werden. Gutes Produkt wird jedoch weiterhin gefragt sein und entsprechend kaufkräftige Klientel finden.“

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