Zinsanstieg bremst Investmentmarkt aus
- Herausforderndes Marktumfeld drückt Transaktionsniveau mit 5,2 Milliarden Euro zurück auf Niveau der Jahre von 2010 bis 2012
- Großvolumige Bürotransaktionen in den TOP 7 nahezu zum Erliegen gekommen, Einzelhandel derzeit stärkste Assetklasse
- Neues Preisniveau noch nicht gefunden, Renditen steigen weiter
- Voraussichtliche Beruhigung an der Zinsfront schafft bessere Planungssicherheit für Investoren
Frankfurt/Main, 5. April 2023 – Nach Angaben von Colliers wurden in Deutschland im ersten Quartal 2023 Gewerbeimmobilien für 5,2 Milliarden Euro gehandelt, ein Rückgang auf das Niveau der Jahre 2010 bis 2012, die von den Nachwirkungen der Finanz- und Euroschuldenkrise geprägt waren. Gegenüber dem Durchschnitt der letzten fünf starken Vorjahresperioden sank das Transaktionsvolumen um zwei Drittel, gegenüber dem Durchschnitt seit 2012 um mehr als die Hälfte.
Die Verlangsamung des Marktgeschehens, die schon im vierten Quartal 2022 begonnen hat, lässt sich auch an den drastisch reduzierten Abschlüssen ablesen. Deren Zahl hat sich mit etwas über 200 gegenüber den Monaten Januar bis März 2022 nahezu halbiert. Zusätzlich hat sich im Vergleich der Jahresauftakte 2022 und 2023 die Verteilung des Transaktionsvolumens auf die Größenklassen genau ins Gegenteil verkehrt: Während damals knapp die Hälfte des Volumens auf das Größensegment von über 250 Millionen Euro und 27 Prozent auf die Größenklasse bis 50 Millionen Euro entfielen, sind im zurückliegenden Quartal rund die Hälfte bei den klein- und 23 Prozent bei den großvolumigen Tickets zu verbuchen.
Matthias Leube, CEO bei Colliers: „Die Gemengelage aus geopolitischen Spannungen, konjunktureller Wachstumsschwäche und hoher Inflation mit in der Folge steigenden Zinsen und Finanzierungskosten bremsen das Marktgeschehen derzeit spürbar. Die zusätzliche Verunsicherung der Finanzmärkte durch die SVB-Bankenpleite und die Zwangsübernahme der Credit Suisse werden – länger als noch zum Jahresende erwartet – das Transaktionsgeschehen im Gesamtjahr beeinflussen. Der Kreis der Investoren wird bis auf Weiteres eng bleiben. Auf der Käuferseite sehen wir vor allem eigenkapitalstarke oder risikofreudigere Investoren, die in der aktuellen Lage sind, Wertzuwächse heben zu können. In diesem Zusammenhang wird der steigende Verkaufsdruck von Objekten in Bestandsportfolios, die mangels ESG- und New-Work-Konformität zunehmend ein Vermarktungsrisiko darstellen, eine marktbelebende Rolle spielen. Auf der Verkäuferseite könnten vor allem Bestandshalter, die vor 2017/2018 gekauft und somit im Durchschnitt weiterhin eine positive Wertentwicklung verzeichnet haben, eine größere Rolle spielen. Des Weiteren könnte sich der Verkaufsdruck bei denjenigen Investoren, die sich den vergangenen Jahren Finanzierungen auf niedrigen Zinsniveaus gesichert haben, durch anstehende Refinanzierungen erhöhen. Durch Neubewertungen könnte ein wesentlicher Teil des Eigenkapitals aufgebraucht sein.“
Schwierige Preisfindung belastet vor allem großvolumige Core-Abschlüsse
Christian Kadel, Head of Capital Markets bei Colliers, ergänzt: „Unverändert hemmen Schwierigkeiten bei der Preisfindung das Transaktionsgeschehen. Insbesondere bei hochpreisigem Core-Produkt in den großen Investmentzentren tritt dieses Problem zutage. In München und Frankfurt, deren Transaktionsvolumen in den vergangenen Jahren von Landmarkdeals insbesondere im Bürosegment befeuert wurden, sind solche Abschlüsse fast vollständig zum Erliegen gekommen.“
Der Anteil der TOP 7 am Gesamtmarkt lag mit 44 Prozent deutlich unter der üblichen Marke von rund 50 Prozent. Berlin knackt dank der bundesweit größten Transaktion des laufenden Jahres, dem hälftigen Verkauf des KaDeWe von Signa an die Central Group, immerhin die Eine-Milliarde-Euro-Marke deutlich. Münchens Platz 2 mit 413 Millionen Euro wird zu mehr als der Hälfte vom Grundstücksverkauf der Landeshauptstadt München an Apple getragen, die dort ihren Firmencampus erweitern. Portfolios spielen mit einem Marktanteil von 14 Prozent beziehungsweise 718 Millionen Euro noch eine untergeordnete Rolle. Abzüglich der Anteilserhöhung der Deutschen Euroshop an fünf Einkaufszentren im Ankaufswert von 258 Millionen Euro sind alle übrigen Paketkäufe deutlich unter der Schwelle von 100 Millionen Euro zu finden.
Die Schwäche des Bürosegmentes, die auch zunehmend von der Eintrübung an den Vermietungsmärkten beeinflusst wird, manifestiert sich in einem deutlichen Rückfall des Marktanteils auf unterdurchschnittliche 20 Prozent. Damit fällt die Assetklasse auf Platz 2 unter den volumenstärksten Segmenten zurück. Angesichts der beiden erwähnten Großdeals KaDeWe und Deutsche Euroshop steht das Einzelhandelssegment mit 29 Prozent derzeit an der Spitze, Industrie- und Logistikimmobilien folgen mit 16 Prozent auf Platz 3.
Renditeanstiege noch nicht beendet
Das eingeschränkte Marktgeschehen erschwert die Ermittlung marktkonformer Renditen. Im Mittelpunkt der Preisverhandlungen steht die Zahlungswilligkeit und -fähigkeit der Käufer unter dem Diktat der gestiegenen Finanzierungskosten sowie der angepassten Renditeanforderungen. Kadel: „Während die Swap Rates ihren Höhepunkt hinter sich gelassen haben sollten, halten die gestiegenen Risikoanforderungen und Margen der Finanzierer die Finanzierungskosten weiter hoch. Diesem Makroeinfluss kann sich aktuell keiner der TOP 7 Märkte entziehen. Nach neuerlichem Anstieg von 30 Basispunkten seit Jahreswechsel liegen die Brutto-Spitzenrenditen im Bürosegment in einem engen Korridor von 4,00 Prozent in Berlin und 4,20 Prozent in Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln und Stuttgart. Etwas geringer sehen wir den Anstieg für Geschäftshäuser in 1a-Lagen der TOP 7, die in Berlin, Frankfurt und München 10 Basispunkte oberhalb, in Düsseldorf, Hamburg, Köln und Stuttgart rund 20 Basispunkte unterhalb der Bürospitzenrendite liegen. Logistikimmobilien verzeichnen in den acht Top-Logistikregionen des Landes einen Renditeanstieg von 10 Basispunkten auf aktuell 4,40 Prozent.“
Ausblick: Jahresprognose von ursprünglich 42 Milliarden Euro kaum zu halten
Leube: „Angesichts des äußerst schwachen Jahresauftaktes ist die bereits konservative Prognose von 42 Milliarden Euro vom Januar kaum zu halten. Gleichwohl werden weitere Zinsentscheidungen unter dem Eindruck der Turbulenzen an den Finanzmärkten getroffen, was den Zinserhöhungszyklus der EZB verlangsamen und voraussichtlich im zweiten Halbjahr stoppen sollte. Damit sollte zumindest von der Finanzierungsseite mehr Planungssicherheit für Investoren gegeben sein. Bei einigen vor der MIPIM abwartenden Käufern haben wir nach der Messe wieder stärkeres Interesse feststellen können.“ Kadel ergänzt: „Die Unsicherheit bleibt aufgrund des wirtschaftlichen Ausblicks, der aktuellen Entwicklungen im Banken- und Finanzsektor sowie dem weiter andauernden Krieg in der Ukraine hoch. Trotz allem sehen wir auch wieder mehr Aktivitäten rund um größere Portfolios und Projektentwicklungsgrundstücke. Der abrupte Renditeanstieg und der Druck von der Finanzierungsseite könnte einige Überraschungsdeals dieses Jahr hervorbringen.“
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